Dienstag, 2. Dezember 2014

Misstrauen bei Prüfungsunfähigkeit – Wie weit müssen Studenten ihre sensiblen medizinischen Daten offenlegen?

Immer mehr Universitäten fordern ihre Studenten im Falle von Prüfungsunfähigkeit dazu auf, den jeweiligen Prüfungsämtern ein spezielles ärztliches Attest vorzulegen, welches die Krankheit samt ihren Symptomen offengelegt. Eine einfache Arbeitsunfähigkeitbescheinigung, wie sie im Falle von Krankheit durch den Arzt ausgestellt und regelmäßig von Arbeitgebern akzeptiert wird, reicht so für einen Prüfungsrücktritt nicht mehr aus.
Die Universitäten wollen auf diese Art und Weise Missbrauch eindämmen, die Studierenden hingegen fürchten ein Aushebeln des Arztgeheimnisses und die Missachtung ihrer Persönlichkeitsrechte.

Die Goethe-Universität Frankfurt a. M. gehört zu denjengigen Universitäten, die die Studenten bei krankheitsbedingtem Prüfungsrücktritt diese zusätzliche Bürde tragen lassen. Der Senat der Goethe-Universität sprach sich im Juli gegen die Angabe der Krankheitssymptome aus und schlug vor, dass Ärzte lediglich vermerken sollen, an welcher Art der Prüfung (mündlich, schriftlich o. ä.) die Studenten nicht teilnehmen können. In Zweifelsfällen kann der Amtsarzt hinzugezogen werden.
Wir, der Ausschuss Medizinstudierende im Hartmannbund, sprechen uns gegen die aktuelle Praxis vieler Universitäten aus, die Studenten vor den jeweiligen Prüfungsämtern mit ihren Krankheitssymptomen bloßzustellen.

Obwohl uns bewusst ist, dass in Einzelfällen Missbrauch betrieben und ein Student auch mal unrechtmäßig krankgeschrieben wird, hat die überwiegende Mehrheit prüfungseinschränkende Symptome. Es ist unangebracht, wegen einer Missbrauch betreibenden Minderheit alle Studenten  zu zwingen, sensible medizinische Daten über ihre Krankheiten offenzulegen, da dies in starkem Maße die Privatsphäre der Studenten verletzt.
Vielleicht möchte der betroffene Student nicht, dass seine Universität genau weiß, dass er oder sie wegen einer “fiebrigen Gastroenteritis mit Durchfallsymptomatik und Leistungsminderung” oder wegen “akuten Komplikationen eines Tumorleidens” (um ein drastisches Beispiel zu nennen) nicht an einer Prüfung teilnehmen kann. Die Menschen sehen es in den meisten Fällen gern, wenn solche sensiblen medizinischen Daten zwischen Patient und dem Arzt des Vertrauens verbleiben – die Nichtbeachtung des Patientengeheimnisses ist deshalb nach §203 StGB strafbar. Warum solle dieses Recht den Studenten verwehrt werden, indem sie gezwungen sind, ihr Patientengeheimnis bei Prüfungsunfähigkeit durch den Arzt offenlegen zu lassen?

Daher muss ein Spagat zwischen der Vermeidung von Missbrauch und dem Schutz der Privatsphäre gemeistert werden. Die beschriebene Praxis impliziert jedoch ein generelles Misstrauen gegenüber den krankgeschriebenen Studierenden, das sie unserer Meinung nach nicht verdienen. Besonders nicht, wenn eine Krankheit sie an einer mit viel Lernaufwand vorbereiteten Prüfung hindert.

Zuletzt bleibt festzustellen, dass trotz aller derzeitigen Maßnahmen sich unethisches Handeln, um sich unrechtmäßig von einer Prüfung zu befreien, nicht vermeiden lässt, da auch solche Symptome vorgespielt und in das ärztliche Attest eingetragen werden können, mit denen ein Simulant glaubhaft für das Prüfungsamt als prüfungsunfähig deklariert wird.
Umso mehr zeigt sich, dass die derzeit von den Universitäten, u. a. der Goethe-Universität unternommenen Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch nicht wirklich vernünftig sind und den Studierenden schaden. Unserer Meinung nach sollte die Prävention des Missbrauchs über einen anderen Weg erfolgen, z. B. durch die aktive Prüfungsanmeldung und -abmeldung durch die Studenten selbst anstelle der in medizinischen Studiengängen verbreiteten automatischen Prüfungsteilnahme.

Damit würde der Zwang zur Vorlage eines Attestes gänzlich entfallen und die Autonomie der Studenten gefördert werden.

Freitag, 20. Mai 2011

Petition zur Verkürzung des Krankenpflegepraktikums - Hoffnung für Medizinstudierende

Petition zur Verkürzung des Krankenpflegepraktikums - Hoffnung für Medizinstudierende

Der Hartmannbund hat vor einigen Wochen eine Petition beim Bundestag eingereicht (Petition vom 26.04.2011), die sich zum Ziel setzt, das vorgeschriebene Krankenpflegepraktikum für Medizinstudenten in der Vorklinik von drei Monaten auf zwei Monate zu verkürzen, wie es in der alten ÄAppO, die bis SS 2003 galt, vorgesehen war.
Seit voriger Woche (11.05.2011) kann diese Petition online eingesehen und unterzeichnet werden:

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=17829

Schon in der ersten Woche haben über 1500 Mitzeichner ihre Stimme abgegeben, viele weitere Stimmen werden folgen. Abstimmen darf jeder Bürger Deutschlands, nicht nur Ärzte und Medizinstudenten o. ä. Die Petition läuft bis zum 23.06.2011.

Der Hauptpetent Constantin Janzen, ehemaliger Vorsitzer der Ausschusses Medizinstudierende im Hartmannbund, erklärt im Petitionstext:
Ein zweimonatiges Krankenpflegepraktikum (entspricht circa 320 Arbeitsstunden), wie es in der alten ÄAppO festgelegt war, ist zum Erwerb eines grundlegenden Verständnisses der Arbeit der Pflegekräfte und des Stationsablaufes in der Klinik vollkommen ausreichend. (aus der Begründung der Hartmannbund-Petition, [1])
Das Pflegepraktikum ist ein integraler und wichtiger Bestandteil des Studiums der Humanmedizin, abschaffen will es keiner und auf keinen Fall (ich erwähne dies, weil einige Kollegen die Petition zur Aufforderung der Abschaffung des Pflegepraktikums polemisiert haben). Aber drei Monate (90 Tage) unbezahlten Pflicht-Pflegedienst, wofür etliche Medizinstudenten ihre wertvollen Semesterferien regelrecht opfern müssen, obwohl die Zeit z. B. in die breite Stoffülle der Studienfächer oder in die Mitarbeit an Forschungsprojekten investiert werden könnte, sind wirklich viel.
Eine zweimonatige Zeit für das Pflegepraktikum reicht vollkommen aus, um die Ziele dieses Ausbildungsbestandteils zu erreichen:
Er [der Krankenpflegedienst, Anm. von IL] hat den Zweck, den Studienanwärter oder Studierenden in Betrieb und Organisation eines Krankenhauses einzuführen und ihn mit den üblichen Verrichtungen der Krankenpflege vertraut zu machen. (vgl. §6 Abs. 1 ÄAppO)
 Und...

Das übergeordnete Ziel des Krankenpflegepraktikum ist es, die Arbeit der Pflegekräfte im Rahmen des Praktikums kennen und schätzen zu lernen. Außerdem sollen Betrieb und Organisation eines Krankenhauses vermittelt werden. (aus der Begründung der Hartmannbund-Petition, [1])
Diese Ziele sind ausnahmenslos wichtig und wären mit einer vorgeschriebenen Krankeepflegedienstzeit von zwei Monaten gemäß §1 Abs. 2 alte ÄAppO sehr gut erreichbar. Für eine solche Verkürzung der Pflegedienstzeit von drei auf zwei Monate kämpft der Hartmannbund.
Um durch das Pflegepraktikum die nützlichen Ziele besser erreichen zu können, fordert der Hartmannbund ferner eine Strukturierung des Krankenpflegepraktikums:
Der Hartmannbund [...] setzt sich darüber hinaus dafür ein, einen Lernzielkatalog für das Pflegepraktikum zu etablieren. In diesem ist festgehalten, was Medizinstudierende im Pflegepraktikum lernen sollten, damit sie nicht mehr nur mit langweiligen Hilfstätigkeiten abgespeist werden. (aus einer Ansprache)
Lustig, aber eigentlich traurig: Die von Rippenspreizer parodierte Situation entspricht bei vielen Pflegediensten der Realität: Medizinstudierende werden für Aushilfstätigkeiten wie Bettenmachen oder Kaffeezubereitung genutzt. Medizinische Bezüge lassen sich hier auch nach langem Suchen kaum finden.
Quelle: Rippenspreizer-Cartoons, www.rippenspreizer.de
Zu diesem Zweck hat der Hartmannbund u. a. eine Checkliste ausgearbeitet, die von der Bundesärztekammer, vom DPR (Deutscher Pflegerat) und vom VPU (Verband des PflegedirektorInnen der Unikliniken) gebilligt wurde. [2]
Das Pflegepraktikum folgt derzeit keinen Qualitätsstandards, sodass sich die Tätigkeiten von Institution zu Institution extrem unterscheiden können. Problematisch wird es vor allem, wenn Medizinstudenten den Großteil der Zeit mit Putzen, Bettenmachen, Kaffeezubereiten und ähnlichen zwar im Haushalt nützlichen, aber medizinisch nicht relevanten Tätigkeiten verbringen. Bei solchen Tätigkeiten fehlt selbst der essentielle Patientenkontakt! 
Aus diesen Gründen sind Richtlinien für das Pflegepraktikum erforderlich, die von jeder Einrichtung beachtet werden sollten. Die Checkliste des Hartmannbunds stellt dabei einen ersten Schritt bei der Etablierung von Qualitätsstandards im Praktikum dar.

Bei dem Pflegepraktikum sollte es eher um Qualität als Quantität gehen: In einer kürzeren Pflichtzeit von zwei Monaten könnte man dank strukturierter Ausbildung viel mehr für seine Zukunft als Arzt mitnehemen als nach drei mühsamen Monaten Hilfstätigkeiten.

Für die Kollegen, denen das Pflegepraktikum in seiner derzeitigen Form gefällt und die sich eine Verkürzung nicht vorstellen können: was hält sie dann davon ab - im Falle einer Verkürzung auf zwei Monate - einen zusätzlichen Monat anzuhängen, um drei oder mehr Monate Krankenpflegedienst vor dem Physikum zu absolvieren? Wer mehr machen will, kann gerne mehr machen, es geht hierbei also nur um die vorgeschriebene Pflegezeit, um die Verkürzung der Pflichtzeit, um mehr Freiräume zu schaffen, zum Wohle aller Medizinstudenten.
Vor allem angehende Studenten der Humanmedizin werden davon profitieren können.

Weiterführende Literatur


1. Petition: Ärzte - Verkürzung des Krankenpflegepraktikums für Ärzte vom 26.04.2011. (https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=17829, 05/20/11, 06:04:21 PM)

2. Hartmannbund: Checkliste für das Krankenpflegepraktikum. 1. Auflage. Berlin 2009. (http://www.hartmannbund.de/uploads/Merkblätter/2009-01_I24_Krankenpflegepraktikum.pdf, 05/20/11, 05:59:30 PM)

Freitag, 16. April 2010

Meinungsverschiedenheiten zur Gesundheitspolitik in der schwarz-gelben Koalition – Chance für die Opposition?

Eine Lösung für das in Krisen stehende und reformbedürftige Gesundheitssystem finden zu wollen, aber nicht einmal einen Plan zu haben, was man hierfür unternehmen müsste - so lässt sich die derzeitige Lage der Bundesregierung bezüglich der Gesundheitspolitik beschreiben. Es ist förmlich so, als würde jeder den Strick in entgegengesetzte Richtungen ziehen - ein Vorgehen, das bekanntlich nicht voran bringt.
Dabei divergieren die Meinungen zur Gesundheitspolitik nicht nur zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und FDP, sondern auch innerparteilich: FDP-Chef Westerwelle will ein Verbot der Zusatzbeiträge zur Gesundheitsprämie, während Gesundheitsminister Philipp Rößler (FDP) einen Ausbau dieser anstrebt. Bei der Pharmaindustrie sollen Rößlers Plänen zufolge zwei Milliarden Euro eingespart werden. Eine Vorhaben, was der bayerischer Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) kritisiert, da dies seiner Meinung nach den Pharmastandort Deutschland gefährden könnte. Söder selbst war es jedoch, der vom neuen Gesundheitsminister ein höheres Tempo verlangte und nun unzufrieden ist. Allerdings fehlen ihm bessere Vorschläge …
Der Richtungsstreit ist auch ein Zeichen für die mangelnde Führung in der schwarz-gelben Koalition.
Chance für die Opposition? Wohl eher nicht, denn die schwarz-gelbe Koalition macht jede Opposition überflüssig, da sie bereits alle möglichen Meinungen vertritt. Mit Sarkasmus reagiert der Vorsitzende des Hartmannbundes, Prof. Dr. Kuno Winn, auf den Zustand der Bundesregierung:
"Bei der Großen Koalition wussten wir immerhin, woran wir sind. Diese Regierung dagegen scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die Opposition überflüssig zu machen“
, so Winn.

An die SPD-Opposition richtet Winn folgende Botschaft:
„Gebt Euch keine Mühe: Jede Position, die Ihr formulieren könntet, wird in der Regierung schon vertreten.“
Ermutigend ist dieser Zustand für niemanden, weder für die versagende Bundesregierung selbst, noch für die Opposition. Doch am schlimmsten ist wohl die Bevölkerung dran, der gegenüber politische Versprechen gebrochen werden und die an den Problemen des Gesundheitssystems am meisten zu leiden hat.
Um der Verantwortung gerecht zu werden, das Gesundheitssystem für die ca. 70 Millionen gesetzlich Versicherten zukunftsfähig zu machen, bedarf es ausnahmenslos einer klaren Linie und einer Abstimmung des Gesundheits-Ressorts.
Solange die SPD-Oppositon unter Gabriel/Steinmeier sich ebenfalls in Sachen Gesundheitspolitik nicht profiliert, kann sie der schwarz-gelben Koalition nicht die Stirn bieten. Dabei liegt die Betonung auf profiliert, d. h. eine Meinung findet, die nicht etwa von jeder Partei vertreten werden kann, sondern vielmehr eine Lösungsstrategie, die zur SPD passt und nicht, denken wir an das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG), die Grundsätze der SPD verrät. Hoffentlich werden die Sozialdemokraten es bis zur nächsten Wahl begreifen …

Weiterführende Literatur:

Winn: Diese Regierung braucht keine Opposition. Artikel vom 02.02.2010. (http://www.hartmannbund.de/start.php?action=voll&id=5625)
Kröger, Michael: Attacke auf Pharmaindustrie: Rösler startet das erste Reförmchen. SPIEGEL ONLINE, 10.03.2010. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,682875,00.html)