Die
Universitäten wollen auf diese Art und Weise Missbrauch eindämmen, die
Studierenden hingegen fürchten ein Aushebeln des Arztgeheimnisses und die
Missachtung ihrer Persönlichkeitsrechte.
Die
Goethe-Universität Frankfurt a. M. gehört zu denjengigen Universitäten, die die
Studenten bei krankheitsbedingtem Prüfungsrücktritt diese zusätzliche Bürde
tragen lassen. Der Senat der
Goethe-Universität sprach sich im Juli gegen die Angabe der Krankheitssymptome
aus und schlug vor, dass Ärzte lediglich vermerken sollen, an welcher Art der
Prüfung (mündlich, schriftlich o. ä.) die Studenten nicht teilnehmen können. In Zweifelsfällen kann der Amtsarzt
hinzugezogen werden.
Wir,
der Ausschuss Medizinstudierende im Hartmannbund, sprechen uns gegen die
aktuelle Praxis vieler Universitäten aus, die Studenten vor den jeweiligen
Prüfungsämtern mit ihren Krankheitssymptomen bloßzustellen.
Obwohl
uns bewusst ist, dass in Einzelfällen Missbrauch betrieben und ein Student auch
mal unrechtmäßig krankgeschrieben wird, hat die überwiegende Mehrheit
prüfungseinschränkende Symptome. Es ist unangebracht, wegen einer Missbrauch betreibenden
Minderheit alle Studenten zu zwingen,
sensible medizinische Daten über ihre Krankheiten offenzulegen, da dies in
starkem Maße die Privatsphäre der Studenten verletzt.
Vielleicht
möchte der betroffene Student nicht, dass seine Universität genau weiß, dass er
oder sie wegen einer “fiebrigen Gastroenteritis mit Durchfallsymptomatik
und Leistungsminderung” oder wegen “akuten Komplikationen eines Tumorleidens”
(um ein drastisches Beispiel zu nennen) nicht an einer Prüfung teilnehmen kann.
Die Menschen sehen es in den meisten Fällen gern, wenn solche sensiblen
medizinischen Daten zwischen Patient und dem Arzt des Vertrauens verbleiben –
die Nichtbeachtung des Patientengeheimnisses ist deshalb nach §203 StGB
strafbar. Warum solle dieses Recht den Studenten verwehrt werden, indem sie
gezwungen sind, ihr Patientengeheimnis bei Prüfungsunfähigkeit durch den Arzt
offenlegen zu lassen?
Daher muss ein Spagat zwischen der Vermeidung von Missbrauch und dem Schutz
der Privatsphäre gemeistert werden. Die beschriebene Praxis impliziert jedoch
ein generelles Misstrauen gegenüber den krankgeschriebenen Studierenden, das
sie unserer Meinung nach nicht verdienen. Besonders nicht, wenn eine Krankheit
sie an einer mit viel Lernaufwand vorbereiteten Prüfung hindert.
Zuletzt bleibt festzustellen,
dass trotz aller derzeitigen Maßnahmen sich unethisches Handeln, um sich
unrechtmäßig von einer Prüfung zu befreien, nicht vermeiden lässt, da auch
solche Symptome vorgespielt und in das ärztliche Attest eingetragen werden
können, mit denen ein Simulant glaubhaft für das Prüfungsamt als
prüfungsunfähig deklariert wird.
Umso mehr zeigt sich, dass die
derzeit von den Universitäten, u. a. der Goethe-Universität unternommenen
Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch nicht wirklich vernünftig sind und
den Studierenden schaden. Unserer
Meinung nach sollte die Prävention des Missbrauchs über einen anderen Weg
erfolgen, z. B. durch die aktive Prüfungsanmeldung und -abmeldung durch die Studenten
selbst anstelle der in medizinischen Studiengängen verbreiteten automatischen
Prüfungsteilnahme.
Damit würde der Zwang zur Vorlage eines Attestes gänzlich entfallen und
die Autonomie der Studenten gefördert werden.